Statement zum Schächt-Urteil des EuGH

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2020
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Dass jüdisches Leben 75 Jahre nach dem größten Menschheitsverbrechen der Moderne - der Shoa, auf europäischem Boden wieder stattfindet, sei ein Geschenk – lassen zahlreiche Politiker*innen, die sich zugleich bestürzt über erneute antisemitische Anschläge äußern, verlauten. Jüdisches Leben gehöre zu Deutschland, sagte die Bundeskanzlerin auf der Jubiläumszeremonie anlässlich des 70. Bestehens des Zentralrats der Juden in Deutschland. 

Vorgestern, kurz vor der letzten Nacht des jüdischen Chanukka-Lichterfests urteilte das EuGH, dass EU-Staaten das Schächten verbieten dürften. Das Tierwohl würde die Religionsfreiheit überwiegen, dabei beziehen sich die Richter auf die Betäubung des Tieres vor der Schlachtung. Dabei ist die koshere Schlachtung von der Torah vorgeschrieben, weil das die humanste Art und Weise der Tötung eines Tieres sei. Tierquälerei ist nach dem jüdischen Gesetz verboten! Das vermeintliche Gegenargument des Tierschutzes ist abwegig und dient der Dämonisierung des religiösen Schlachtrituals.

Dieses Vorurteil wird umso mehr auch von der im Zuge des Urteils getätigten Berichtserstattung der Tagesschau (https://www.instagram.com/p/CI6NNVIoqjA/?igshid=14ynat4xdgbs1) gestärkt, bei der das Schächten als barbarisch, die Betäubungsmethode indes als vermeintlich tierfreundlich dargestellt wird. 


In Europa wird seit Jahrzehnten politisch über das Schächten diskutiert und juristisch geurteilt. Auch hierzulande befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit dieser Frage. Aus dem jüngsten Urteil ging das Verbot des betäubungslosen Schlachtens hervor, wobei mögliche Ausnahmeregelungen festgelegt wurden. Die Auflagen liegen derzeit jedoch so hoch, dass ein koscheres und halal Schlachten kaum möglich ist.
Während Bundesminister*innen jüdische Menschen zum Chanukka-Feiertag beglückwünschen und sich für die Religionsfreiheit aussprechen, werden die Grundprinzipien des jüdischen Glaubens außer Acht gelassen! Dieses EuGH-Urteil ist rücksichtslos und spielt Antisemit*innen und Islamfeind*innen geradezu in die Karten. Wir, die Jüdische Studierendenunion Deutschland (JSUD) sind entsetzt über dieses Urteil und fordern eine gesamteuropäische Lösung!


Der Kampf gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben in Deutschland und Europa muss anders aussehen! Wir betrachten das jüdische Leben als ganzheitliche Selbstverständlichkeit und wünschen uns die versprochene Natürlichkeit und Sicherheit.


Foto: Imago Images / Patrick Scheiber