Antisemitismus in der muslimischen Bevölkerung in Deutschland
- Vorstand
- 1. Jan. 2020
- 3 Min. Lesezeit
Antragsteller 1: Joel Crepu
Antragsteller 2: Michael Suliman
Wir konstatieren, dass Juden und Muslime gemeinsam über Jahrhunderte in Nordafrika
und im Nahen Osten in relativer Harmonie friedlich lebten, wohnten und feierten.
Während Juden vor Pogromen aus Europa flohen, fanden viele in der arabischen Welt
Schutz und Zuflucht. Jedoch wurden Juden in der muslimischen Welt auch teilweise
diskriminiert (Dhimmi-Status). Daher sollte keine geschichtsrevisionistische
Romantisierung stattfinden.
Wir konstatieren, dass innerhalb der letzten zwölf Monate in der Bundesrepublik
mehrere Fahnenverbrennungen, Bedrohungen, antisemitische Ausschreitungen,
Todesdrohungen und gewaltsame Übergriffe auf jüdische Passanten, Fußballspieler und
Schüler von Personen muslimischen Glaubens ausgingen. Zudem wurde ein geplanter
Anschlag auf eine Synagoge vereitelt.
Wir konstatieren, dass die Täter ihre Gewaltbereitschaft oft politisch und/oder religiös
begründen.*
Wir konstatieren eine Zunahme des israelbezogenen Antisemitismus unter jungen
Deutschen muslimischen Glaubens, welche häufig durch soziale Netzwerke und
arabische sowie türkische Medien verursacht und gefördert wird.
Wir konstatieren, dass laut PMK-Statistik in 2017 ca. 2% der antisemitischen
Kriminaldelikte von Personen muslimischen Glaubens begangen wurden und der
überwiegende Mehrheit dem rechten Milieu zuzuordnen ist. Diese Statistik wird von dem
Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus sowie mehreren Experten als verzerrt
betrachtet. Der tatsächliche Anteil antisemitischer Kriminaldelikte seitens Personen
muslimischen Glaubens sei höher als in der PMK-Statistik erfasst.*
Wir konstatieren, dass das Ausmaß antisemitischer Einstellungen und Ansichten unter
muslimischen Erwachsenen mit Einwanderungshintergrund (56%) höher als unter
nichtmuslimischen Erwachsenen (16%) ist.**
Wir konstatieren, dass laut dem Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus die
Mehrheit der Bevölkerung im Nahen und Mittleren Osten antisemitische Ansichten vertritt
und ein großer Teil der Geflüchteten und Asylbewerber aus dieser Region stammt.* Eine
vorläufige Studie zeigt, dass israelbezogene Verschwörungstheorien unter Geflüchteten
aus Syrien und Irak verbreitet sind. Laut dem Verfasser der Studie sind weitere Studien
nötig, um das Ausmaß zu untersuchen.***
Wir konstatieren, dass die Bundesregierung die »Arbeitsdefinition von Antisemitismus«
der Internationalen Allianz für Holocaustgedenken (IHRA) im September 2017 annahm
und die Ernennung eines Antisemitismusbeauftragten beschloss.
Wir glauben, dass keine Bevölkerungsgruppe unter Generalverdacht gestellt werden
darf. Dies gilt ausdrücklich auch für Muslime, welche als Minderheit in Deutschland
selbst Diskriminierung erfahren.
Wir glauben, dass Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem darstellt und
herkunftsübergreifend ist. Die muslimische Bevölkerung ist weder die einzige noch die
Hauptquelle von Antisemitismus in Deutschland.
Wir glauben, dass Antisemitismus unter Muslimen in Deutschland zu lange unterschätzt
wurde und es ein strukturelles Problem in unserer Gesellschaft darstellt.
Wir glauben, dass die Berufung eines Antisemitismusbeauftragten alleine nicht genügt,
um Stereotype und Ressentiments gegenüber Juden zu begegnen.
Wir fordern, dass die Statistiken der antisemitisch motivierten Kriminaldelikte
systematisch optimiert werden, um die gegenwärtige Realität korrekt abbilden zu
können.
Wir fordern eine größere Offenheit und Bereitschaft jüdischer und muslimischer
Organisationen und Gemeinden vermehrt aufeinander zuzugehen und interreligiösen
Dialog zu fördern. Mögliche Themen wären die religiösen und weltlichen Anschauungen,
das Leben als Minorität, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Antizionismus und
Islamfeindlichkeit.
Wir fordern von den muslimischen Dachverbänden, Gemeinden und Organisationen
eine interne Auseinandersetzung mit Antisemitismus in den eigenen Reihen.
Wir fordern mehr Investitionen in neue Präventions- und Fortbildungsangebote gegen
religiös, politisch sowie sozial bedingte Formen von aktuellem Antisemitismus und
gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, welche Deutsche sowohl mit als auch ohne
Migrationshintergrund erreichen können. Dazu zählen im Lehrplan integrierte
Bildungsmaßnahmen bezüglich Vorurteile und Ressentiments und einer differenzierten
Darstellung des Nahostkonfliktes sowie vermehrte Besuche von erinnerungspolitischen
Gedenkstätten für sowohl Schüler*innen und Student*innen als auch Flüchtlinge.
Wir fordern Präventionskurse für Bildungskräfte um sich mit den verschiedenen
Ausprägungen des Antisemitismus und Rassismus vertraut zu machen.
Wir fordern eine Aufklärungskampagne in sozialen Netzwerken.
Wir fordern, dass die von der Bundesregierung angenommenen »Arbeitsdefinition von
Antisemitismus« der Internationalen Allianz für Holocaustgedenken (IHRA) in dem
formellen Bildungswerdegang und in informellen Bildungsangeboten integriert wird. Die
besagte Definition sollte zudem als Richtlinie für polizeiliche und gerichtliche
Entscheidungen dienen.
Wir fordern, dass zusätzlich zu dem Antisemitismusbeauftragten auf der Bundesebene
weitere Beauftragte jeweils auf Länderebene ernannt werden, welche gemeinsam ihr
regionales und nationales Vorgehen koordinieren. Die ernannten Delegierten sollten mit
ressortübergreifenden Befugnissen agieren und in ihrem Mandat eine besondere
Aufmerksamkeit auf das Bildungswesen richten.
* Quelle 1
** Quelle 2
*** Quelle 3
Comments